Sagen und Legenden

Das steinerne Kreuz

Beim Hofratsacker in Lembach, wo sich die Straße nach Raiden und Knechtwies teilt, erhebt sich eine Kreuzsäule. Sie steht auf einer Steinplatte, die deutliche Bocksfußspuren trägt.

Straßengabelungen, einstmals der liebste Aufenthaltsort von Hexen und bösen Geistern, hat aber auch der Teufel als Rastplatz bevorzugt. Und beim Hofratsacker war die Stelle durch einen Steinblock, der zum Hinsetzen und Ausschauhalten wie geschaffen war, besonders einladend.

Kaum war die Dämmerung hereingebrochen, hockte zur Sommerszeit oftmals eine gräßliche Gestalt auf dem plumpen Raststein an der Straßengabel. Sie setzte die spät vorüberziehenden Leute schon allein durch ihre Anwesenheit in Angst und Schrecken. Bald belästigte aber der Böse immer häufiger die verspäteten Wanderer, bewarf sie mit Steinen oder brachte die Zugtiere ihres Gefährts zum Scheuen. Kein Wunder, dass alle, die davon wussten, diese Wege zur Abend- und Nachtzeit mieden.steinernes_kreuz.jpg

Eines Nachts trottete ein Bauer aus Raiden zum Markt hinaus. Er hatte ein Futtermesser eingekauft. Hierauf war er in der Schenke gesessen. Spät, aber ob des genossenen Gerstensaftes recht guter Dinge, trat er den Heimweg an.

So vergaß er völlig, dass er einen Umweg einschlagen sollte, um der verrufenen Stelle beim Hofratsacker auszuweichen. Und weil der Mond so silbern vom Himmel glänzte, rauchte er sich sein Pfeifchen an, band sich das Futtermesser mit einem Strick auf den Rücken und zog gemächlich heimwärts.

Er gewahrte gar nicht den zottigen Teufel, der an der Straßengabel auf dem Raststein hockte. Kaum war Bauer vorüber, erhob sich der Böse langsam und schlich ihm auf den Zehenspitzen nach. Er reckte seine Krallenfinger, fasste den Ahnungslosen an den Schultern und wollte ihn zu Boden zwingen.

Der Bauer, über die Hinterhältigkeit erzürnt, fasste den Teufel an den Hörnern und schmetterte ihn mit solcher Wucht auf die Straße, dass er einen kläglichen Plärrer von sich gab. Gleich aber stand dieser wieder auf seinen Bocksbeinen, stürzte sich abermals auf den Mann und wollte das Futtermesser in seine Gewalt bekommen. Eine heftige Rauferei entbrannte.

Als der Bauer merkte, dass seine Kräfte immer mehr zu schwinden anfingen, wurde ihm um sein Leben bang. Endlich bekam er seine Rechte frei, und er schlug geschwind ein großes Kreuzzeichen. Das war seine Rettung. Der Teufel wich heulend zurück, sprang aber immer wieder fauchend und  zischend auf den Bauer los. Der Bauer aber hatte das Futtermesser schon mit beiden Händen gefasst, holte damit aus und schwang es mit seiner ganzen Kraft auf den Schädel des Schwarzen. Der wohlgezielte Hieb kostete dem Teufel ein Horn. Besiegt zog er den Schwanz ein und winselte gotterbärmlich.

Der Bauer aber machte sich eilends auf und davon. Von weitem hörte er noch immer das Jammern des Bösen. Noch nie hatte dieser eine so schmähliche Niederlage in Lembach erlitten. Von Schmerz gepeinigt, hüpfte er von einem Bein auf das andere. Schließlich sprang er sogar auf den Raststein an der Weggabel.

Er hockte sich nieder und nahm seinen blutenden Schädel in beide Hände. Immer wieder sprang er vor Schmerz auf. Jedesmal, wenn er jammernd aufsprang, drang sein Bocksfuß tief in den harten Stein. Von diesem Tage an wurde der Teufel niemals mehr auf dem Raststein an der Weggabel erblickt.

Die Menschen konnten wiederum in Frieden dort vorübergehen. Aus Dankbarkeit für die Errettung aus höchster Not hat der Bauer aus Raiden auf dem Raststein eine Kreuzsäule errichten lassen. Die Abdrücke der Teufelsfüße sind heute noch im Stein zu sehen, auf dem die Säule steht.


Der Teufelsstein bei Lembach

Seit urdenklichen Zeiten saß auf dem Daglesgute bei Lembach ein biederes Bauerngeschlecht. Es waren angesehene, fleißige Leute, in der ganzen Gegend geehrt und geachtet. Doch als der alte Bauer dem ungestümen Drängen seines Sohnes Josl nach Hofübergabe nachgegeben hatte, begannen Ehrsamkeit und Fleiß aus den Mauern des stattlichen Gutes zu weichen.

Des Sohnes Streben war nur darauf gerichtet, in allem den Herrischen gleichzukommen. Er führte eine leichtsinnige Wirtschaft und war mehr auswärts als daheim bei der Arbeit. Kein Wunder, dass
der seit Jahrhunderten auf dem Hofe gehäufte Reichtum in seinen Händen in Nichts zerrann. Selbst als ihn schon von allen Seiten die Gläubiger bedrängten, änderte er sich nicht. Seinen Dienstboten schuldete er so lange den Lohn, bis einer nach dem anderen seinem Hof den Rücken kehrte. Den alten Vater hatte die Schmach unter die Erde gebracht, und so hauste der Sohn einsam in dem verlassenen Haus.

Mit Zehent und Robot war er so weit im Rückstand, dass die Grundherrschaft eines Tages nach seinem ganzen Besitz griff. Der Pfleger von Falkenstein kam mit seinen Leuten und bekundete ihm durch das Umkehren etlicher Dachschindel und einiger Schaufelstiche des Rasens in der Hofwiese, dass er abgestiftet sei.

Da erst wurde dem Leichtlebigen bewusst, dass er durch seine Schuld Elternhaus und Heimat verwirkt hatte. Voll Reue flehte er beim Pfleger um Aufschub, doch dieser verwies auf seine wiederholten Mahnungen und blieb hart.

Mit ein paar Habseligkeiten im Arm saß nun der Abgehauste bis in die Nacht vor dem Tor des Hofes, das ihm nun verschlossen war. Sein Elend, das er aus eigener Schuld heraufbeschworen hatte, bedrückte ihn ungeheuerlich. Erst als in der Kälte der Nacht seine Glieder zu schlottern anfingen, erhob er sich mühsam und wankte ziellos fort.teufelsstein.jpg

Kaum hatte er die Straße erreicht, hallte ihm aus der Nacht Hufeklappern und Pferdewiehern entgegen. Schon zeichneten sich im Dunkeln die Umrisse eines Reiters ab. Im selben Augenblick tauchte der Mond aus den Wolken. Josl, der zur Seite wich, blickte nur von ungefähr zum herantrabenden Reiter hin.

Trotzdem riss es ihn mit einem Male aus seiner tiefen Grübelei: Eine zottige, furchterregende Gestalt wiegte sich im Sattel, mit der Linken den wilden Rappen zügelnd, in der Rechten eine langzinkige Gabel. Entsetzt floh der Bauer querfeldein fort. In seiner Not suchte er auf einem Felsklotz Zuflucht, um sich vor dem Unhold zu retten. Der aber war ihm in Windeseile gefolgt und hielt vor dem Stein seinen Gaul an. Schnaubend umtänzelte das Ross mit seinem Reiter den Steinblock. Seine Augen glühten im Dunkel der Nacht. "Brauchst dich nit z'fürchten, Josl" sprach ihn mit schmeichelnder Stimme der Teufel an. "Ich kenne deine Not! Willst nit dein Haus wieder z'rückkaufen? Ich möcht dir gern helfen", fuhr er mit gewinnender Freundlichkeit fort.

Verstört hockte Josl vor ihm auf dem Fels. Als ihn der Zottige an sein Elend erinnerte, wich plötzlich die Angst aus seinen Gliedem. Er sah in dem Angebot seine letzte Hoffnung, wieder in den Besitz des Hofes zu kommen.

Der Böse hatte ihn auch schon durchschaut und rief: "Hier, fang auf!" Klirrend fiel ein prallvoller, schwerer Geldbeutel in die Hände des Abgestifteten. Mit dem Geld hatte er gewiss seinen Hof wieder freikaufen können.

"Ja, aber was willst du als Lohn für die Hilf'?" kam es zögernd über Josls Lippen. "Nit viel, nit viel!" kicherte hämisch der Schwarze. "Schlag ein, dass du für immer zu mir halten willst", meinte er so nebenbei und bot ihm die Krallenhand dar. 'Was, dem Teufel die Hand zum Bunde reichen? Das bedeutet doch Leib und Seele ihm vertreiben!' durchzuckt es den Bauer. "Niemalen!" schrie er zornig und schleuderte ihm erbost den Geldsack an die zottige Brust. Hierauf bekreuzigte er sich schnell, hüpfte vom Stein und sprang in wilden Sätzen dem Markte Lembach zu.

Voll Grimm über die misslungene Verführung stürzte der Höllenfürst mit seiner Gabel auf den Stein und tobte so fürchterlich, dass es bis in den Markt zu hören war. Josl erzählte sein schauriges Erlebnis den Lembachern.

Bald zog er in die Fremde und kehrte nie mehr in seine Heimat zurück. Als des anderen Tages einige Neugierige zum Stein eilten, fanden sie diesen über und über geschwärzt. Oben auf dem Felsblock stak neben dem Abdruck eines Bockfußes ein abgebrochener Zinken der Teufelsgabel im Stein. Abdruck und Zinken sind heute noch im Teufelstein bei Lembach zu sehen.


Buamafanga

Landauf, landab zog einst das Kriegsvolk durch unsere Heimat. Wer wusste schon, ob Freund oder Feind, ob kaiserlich oder nicht. Überall, wohin die Soldaten kamen, kühlten sie ihr Mütchen an den armen Teufeln von Bauern, denen sie in Quartier und  Kost gelegt wurden. Und da benahm sich auch der Kaiserliche nicht menschlicher als der Erbfeind der Habsburger. Kein Wunder, waren doch die einen nur des Soldes willen, die anderen wiederum gezwungenermaßen dabei.

Wenn ein Feind mächtig an die Grenzen des Reiches pochte, konnten oft nicht einmal mehr genug der Soldaten angeworben werden. Nun mussten die Pflegeknechte mit ihren Hunden ausziehen, um alle einzufangen, die den Bubenhosen entwachsen waren. Dann füllten sich wieder die Reihen im Heer. Doch das dauerte nicht allzulange Zeit, denn sobald einer Gelegenheit zum Fortlaufen hatte, war er auch schon wieder über alle Berge.

Mancher konnte sich verbergen, andere fanden in Bayern Zuflucht, doch nach Hause kamen die wenigsten. Aber bei den Soldaten heißt das Nachhauselaufen desertieren. Und dieses Fortlaufen aus dem Heer galt als das schwerste Verbrechen und wurde mit dem Tode bestraft. Wo Menschen mit dem Tod auf du und du leben, regieren andere Gesetze. Darum zog es jeder vor, sich lieber gleich nicht in die Bande dieser strengen Disziplin schlagen zu lassen.

So mochte es sich auch der Heinzl aus Lembach überlegt haben, der sich stets rechtzeitig verbergen konnte, ehe die Diener des Pfleggerichtes Marsbach anrückten, um ihn für das Militär einzufangen. Kaum ein Jahr verheiratet, und schon von zu Hause fort müssen! Wer weiß auf wie lange? Den Großen ist ja nicht zu trauen, denn haben sie hier den Krieg beendet, trachten sie eine neue Feindseligkeit anderswo zu entfachen.

Und bis zum nächsten Wiedersehen könnten Jahre vergehen. Wie viele aber kehrten nie wieder zurück! Nein, zu den Soldaten wollte er sich um die Welt nicht einfangen lassen. Der Pfleger Gansinger auf Marsbach hatte jedem eine Belohnung versprochen, der ihm den Heinzl von Lembach bringen würde. Der konnte aber trotz häufigen Hausdurchstöberns nie ergriffen werden.

Heinzl hatte das ständige Gesuchtwerden, das sich bereits über den ganzen Sommer hinzog, längst satt. Er durfte sich nirgends blicken lassen und konnte seiner Arbeit nicht mehr nachgehen. Aber zu den Soldaten, das schwor er sich, würden sie ihn auf keinen Fall kriegen.

Eines Tages tauchte der Pfleger Gansinger, von bewaffneten Knechten begleitet, unter Hundegekläff plötzlich vor dem Haus Heinzls auf. Der Gesuchte wurde überrascht, vermochte sich nicht mehr in Sicherheit zu bringen und blieb in der Stube.

Sein Weib eilte hinaus, um das Haustor zu verriegeln. Zu spät! Gansinger drang schon mit seinen Leuten herein. Auf Gansingers Frage, ob Heinzl wiederum nicht zu Hause wäre, konnte die Frau vor Angst nicht antworten. Gansinger stutzte! Heinzl, der die Frage bis in die Stube vernommen hatte, schrie zornig: "Weib, mach auf, sie solln nur hereinkommen. Ich werd' sie mir schon vom Leib schaffen!" Weil aber die Frau nicht von der Schwelle wich und sich von den Knechten nicht zur Seite drängen ließ, wiederholte Heinzl seine Aufforderung.

Als die Frau endlich zitternd zur Seite trat, rissen die Knechte die Tür auf. Heinzl hatte vom Stubentram das lange Saumesser gezogen und wetzte es laut. Gansinger, der dies durch die offene Stubentür sah, befürchtete ein arges Blutvergießgen, falls die Knechte an ihm Hand anlegen sollten. Er gebot ihnen daher, das Haus zu verlassen. Seither hatte Heinzl vor den "Buamafangern" Ruhe und er konnte wieder ungehindert seiner Arbeit nachgehen.


Der Lembacher Tisch

Eines Tages liefen die Lembacher aufgeschreckt in den Gassen hin und her, denn ein Handwerksbursch war mit der Kunde eingetroffen, dass der Schwarze Tod im Lande umhergehe.

Die befestigten Orte des Mühellandes hatten ihre Tore geschlossen und verwehrten Händlern, durchziehenden Soldaten und allen, die sich von einem Ort zum anderen durchschlugen, den Zutritt zu ihren Siedlungen. Dieses fahrende Volk war es ja, in dessen Gefolge die leidige Seuche unbemerkt ins Land gezogen kam und dann allerorts reiche Ernte hielt.

Auch die Lembacher hatten nichts Eiligeres zu tun, als alle Zugänge zum Markte zu verriegeln. Doch was nützte ihnen das? Die todbringende Pestwolke kam über die Mauern gekrochen. Bald wimmerte das Zügenglöcklein unaufhörlich ins Tal des Daglesbaches hinaus, allen kündend, dass ein großes Sterben den einstmals so friedlichen Markt heimgesucht hatte.

Dies ängstigte die Leute in den umliegenden Dörfern gar sehr, denn sie konnten nicht wissen, wann auch an ihre Tore die tödliche Pestilenz klopfen würde. Viele von ihnen packten darum ein paar Habseligkeiten und etliche Lebensmittel eilends zusammen, flohen Hals über Kopf in den Hofkirchner Wald hinauf und suchten dort Schutz vor dem schrecklichen Tod.

Zwischen den Tannenriesen, über die unentwegt die rauhen Winde fegten, konnten sich die giftigen Dämpfe der Pestwolke nicht breitmachen. Der benachbarte Markt Hofkirchen hatte schon lange vor Lembach die Tore geschlossen und blieb so von der schrecklichen Seuche verschont.

Auch griffen die Hofkirchner zu abwehrenden Maßnahmen gegen die ringsum im Lande wütende Pest. Sie warfen Wacholderzweige, Pestwurz, Bibernell, Thymian und Kienholz ins Herdfeuer, so daß die anschwebenden Pestwolken von diesem wohlriechenden Räucherwerk immerzu verscheucht wurden.

Indes zogen in Lembach die vermummten Totengräber mit dem Bader Leiche um Leiche hinaus zum Pestacker, denn die Pesttoten durften nicht mehr im Ortsfriedhof bei der Kirche bestattet werden. Vor der Ansteckung konnten sich die paar beherzten Männer nur dadurch schützen, dass sie lange Pestkutten über die Kleider zogen, ihr Gesicht mit einer Maske schützten und über den Kopf eine Kapuze stülpten.

Mit Riechpulver und Räucherwerk versuchten sie aus den heimgesuchten Häusern die gefährlichen Pestdämpfe zu vertreiben. Den übelriechenden Kranken brachten sie Ziegenböcke in die Stuben, denn der noch durchdringendere Tiergestank war imstande, die Pest zu verdrängen. Frösche und Kröten wurden auf die Wunden gelegt; sie sollten das Gift herausziehen. Aber trotz aller Mühe war der Schwarze Tod nicht aus Lembach zu vertreiben.

Jeden Morgen hielten die Geflüchteten Ausschau nach dem Markte. Immer aber mussten sie sehen, wie ober ihm die Pestwolke schwebte. Solange aber dort noch die Seuche wütete, wollte niemand zum häuslichen Herd zurückkehren. Der Vorrat an Lebensmitteln schrumpfte zusammen, und Hunger machte sich unter ihnen breit.

So riefen sie von Ferne die Hofkirchner, die ob ihrer wirksamen Abwehrmaßnahmen nicht von der Pest heimgesucht wurden, um Hilfe in ihrer Not. Diese erbarmte sich der Geflüchteten, und ihr Pfarrer ordnete einen Hilfsdienst an. Täglich kochten die Hofkirchner Frauen für die Geflüchteten Speisen in ausreichendem Maße.

Der Pfarrer teilte um die Mittagszeit etliche Burschen ein, die mit Nahrungsmitteln in den Hofkirchner Wald hinaufzugehen hatten. Dort oben war für die Flüchtlinge ein großer Tisch gezimmert, auf denen sie die Töpfe abstellten. Die Hofkirchner aber verbaten sich, mit den Lembachern in Berührung zu kommen. Nur unter dieser Bedingung versprachen sie, die Sorge um Speise und Trank fortzuführen.

Eilig verließen deshalb die Essensträger jedesmal wieder den Wald, denn es war vereinbart, daß nach dem Mittagsläuten die Flüchtlinge zum Tisch kommen durften. Am Kamm des Hofkirchner Waldes, wo die Straße von Hofkirchen nach Lembach die Höhe überschreitet, wird die Gegend heute noch als Lembacher Tisch bezeichnet; eine Erinnerung an den Liebesdienst der Hofkirchner an die Lembacher in einer schweren Zeit.


Das Geheimnis der Waldfrauen

Manchmal macht man sich auf den Weg und trifft Menschen, die das eigene Leben verändern. Und einem ganz unerwartet ihre Liebe, Zuwendung und Weisheit schenken.

Es war einmal ein Mädchen, das so arm war, dass jeder im Dorf es verspottete. Da beschloss sie, ihre Heimat zu verlassen und ihr Glück in der Fremde zu suchen. Müde und hungrig achtete sie nicht auf den Weg und stand plötzlich auf einer Lichtung. Sie hörte ein Geräusch, es knatterte und knackte.

Ob es hier mit rechten Dingen zuging? Da sah sie einige Waldfrauen am Rande des Waldes stehen. Eine kam sogar auf sie zu. Konnte sie ihnen vertrauen? Doch das Lächeln der Waldfrau wischte schnell alle Zweifel weg. „Komm mit mir, ich will dir zeigen, wie man aus Flachs einen langen Faden spinnt.“

Die Waldfrau führte das Mädchen an einen geheimen Ort tief im Felsen und weihte sie in ihr Geheimnis ein. Aus dem gewonnenen Flachs drehte sie einen Zopf und schenkte ihn dem Mädchen.

„Dieses Haar kannst du nun spinnen und weben und du wirst nie wieder Not leiden.“ Das Mädchen bedankte sich und sagte: „Ich habe das Spinnen aber nie gelernt.“ Da nahm die Waldfrau ein Spinnrad und zeigte dem Mädchen, wie man damit umgeht. „Hab immer Flachs auf deinem Spinnrad“, waren die letzten Worte der Waldfrau. Dann war sie verschwunden.

Das Mädchen wanderte weiter. Jedem, der sie nach ihrem Spinnrad fragte, zeigte sie, was sie konnte. Noch nie hatte jemand so feines Garn gesponnen. Doch der Flachs wurde nie weniger. Da verstand sie die Worte der Waldfrau: Jeden Morgen hatte sie wie von selbst eine volle Haarrupfe auf ihrem Spinnrad. Das war der Beginn der Blütezeit der Leinenweberei in Lembach. Hunderte Leinenweber waren am Werk. Gebleicht wurde die Leinwand dort, wo der Daglesbach in die Kleine Mühl bei Obermühl mündet.